Der Habakuk
2011-01-15 17:15:42 UTC
Aus gegebenem Anlaß einige weitere Informationen dazu. Wer nicht gerade
Historiker ist, wird vieles davon, nicht in Schule/Uni gelernt haben,
sondern muß es sich selber zusammensuchen.
Meine These lautet, daß die sehr sehr zögerliche Akzeptanz des
Buchdruckes und die immer noch in vielen arabischen Ländern wie auch in
der Türkei durchaus auch religiöse Gründe hatte.
Bereits erwähnt wurde, daß es in Ägypten noch 1836 nur eine einzige
Druckerei gab, und das auch nur, weil Napoleon 1798 eine Druckerpresse
an den Nil gebracht hatte! Zur Erinnerung: der Buchdruck wurde im Westen
ca. 1450 von Gutenberg erfunden!
Es dauerte also fast 400 Jahre, bis Ägypten den Bucghdruck bei sich
einführte! Daß es damals neben der einen Druckerei über 20 Waffen- und
munitionfabriken gab zeigt wohl, welch geringen stellenwert der
Buchdruck damals in Ägypten besaß.
Woran lag das? Drang die Neuigkeit nur sehr langsam an arabische und
osmanische Ohren? Wurde die Technologie von Gutenberg, vom christlichen
Abendland geheim gehalten und den Moslems vorenthalten?
Ganz und gar nicht! Im Gegenteil!
Der osmanische Sultan und beherrscher des Osmanischen Reiches Bayezid
II. *verbietet* bereits ca. 1483 den Buchdruck bei Todesstrafe!
Ebenfalls verboten nei Todesstrafe war es, Bücher aus dem Westen in das
O.Reich zu importieren! Wie schon erwähnt, bleib dieses Verbot, das von
Bayezids Sohn und Nachfolger nochmals explizit erneuert wurde, bis zum
jahre 1727 im Osmanenreich in Kraft!
Interessanterweise betraf dieses Verbot nur den Buchdruck in arabischen
Schriftzeichen, was damals im osmanischen Reich die gängige Schrift war!
Daß Bayezid ansonsten hin und wieder Ausnahmen zuließ, die jedoch nur
Nichtmoslems betrafen, zeigt recht deutlich daß er, der den Beinamen
"der fromme" trug, vor allem um seine moslemischen bürger besorgt war
und daß er unheilvolle Einflüsse aus dem Westen berfürchtete. Aus
Spanien ins O.R. geflüchteten Juden wurde so z.B. erlaubt, Bücher für
sich zu drucken, also nicht auf arabisch! Andsonsten herrschte
weitgehende Abschottung, Bücherverbot und Druckverbot für die nächsten
fast 300 Jahre im O.R.
Soweit ich recherchieren konnte, gab es solche generellen Verbote im
arabischen und sonstigen islamischen Raum zwar nicht, aber die Rezeption
des Buchdruckes und Buches - mit Ausnahmen handgescheriebener, meist
religiöser Literatur fand kaum statt.
In der Wiki findet sich eine interessante Liste:
<http://de.wikipedia.org/wiki/Ausbreitung_des_Buchdrucks>
Wir finden dort, daß der Buchdruck noch nicht einmal 50 Jahre brauchte,
um ganz Europa zu erobern. In so gut wie jedem europäischen Land gab es
vor 1500 bereits Druckereien und in den nächsten 100 - 150 jahren
eroberte er auch Amerika, Lateinamerika, Asien und Afrika.
So gilt z.B. für Mexico: "Zwischen 1539 und 1600 produzierten
Druckerpressen 300 Ausgaben und im folgenden Jahrhundert stieg die Zahl
der Titel auf 2007.[29] Im 16. Jahrhundert waren mehr als 31 % der vor
Ort hergestellten Bücher in einheimischen Indianersprachen abgefasst,
zumeist religiöse Texte oder Grammatiken und Wörterbücher von
Amerindischen Sprachen." (Wikizitat)
Wie aber stands mit den Islamländern damals? Die Liste gibt kaum
islamsiche länder und namen preis. 1792, Kairo und als Drucker werden
Franzosen genannt. 1637, Armenische Drucker in Isfahan. Ab 1820
Buchdruck in theheran. Für das Osmanische Reich steht dort:
"1729 Konstantinopel Erste Presse zum Drucken auf Arabisch im
osmanischen Reich eingerichtet, gegen starken Widerstand der Kopisten
und teilweise moslemischer Religionsgelehrter. Die Druckerei blieb bis
1742 in Betrieb und gab ausschließlich nicht-religiöse Werke heraus,
insgesamt siebzehn an der Zahl.
und
1779 Konstantinopel James Mario Matra (Brite)
Erfolgloser Versuch, den Buchdruck wieder aufzunehmen"
Im Folgenden nehme ich auf Mittermeier, Schreibrohr und Druckerpresse
Bezug und zitiere aus ihm. Zuerst eine Bestandsaufnahme der heutigen
Zustände:
"Späte Einführung des Buchdrucks kann bis in die Gegenwart nachwirken.
Der von den Vereinten Nationen in Auftrag gegebene und von prominenten
Wissenschaftlern erstellte "Arab Human Development Report" von 2003
formuliert über Probleme des Aufbaus einer Wissensgesellschaft in den
arabischen Ländern3:
"Die wichtigsten Mittler bei der öffentlichen Verbreitung von Wissen
sind die Massenmedien. Allerdings ist in den arabischen Staaten die
Anzahl der Informationsmedien im Verhältnis zur Bevölkerung (Zeitungen,
Radio und Fernsehapparate pro 1000 Menschen) und im Vergleich zur
durchschnittlichen Rate weltweit gering. Pro 1.000 arabischer
Staatsbürger gibt es weniger als 53 Zeitungen, im Vergleich zu 285
Zeitungen pro 1.000 Menschen in den 3 Deutsche
entwickelten Ländern. … Die niedrigen Auflagen von Druckwerken spiegeln
sehr deutlich die begrenzte Leserschaft in der arabischen Welt wider.
Der Anteil arabischer Bücher überschreitet nicht mehr als 1,1 Prozent
der Weltproduktion, obwohl die arabische Bevölkerung 5 Prozent der
Weltbevölkerung ausmacht. Die Herstellung von Literatur und Kunstbüchern
in den arabischen Ländern liegt also signifikant unter dem weltweiten
Durchschnitt. 1996 wurden nicht mehr als 1.945 Bücher gedruckt, was nur
0,8 Prozent der Weltproduktion entspricht und damit unter der Produktion
einzelner Länder wie etwa der Türkei liegt, deren Einwohnerzahl einem
Viertel der Bevölkerung arabischer Länder entspricht. Der arabische
Literaturmarkt wird von einer Fülle religiöser Schriften und einem
Mangel an Druckerzeugnissen aus anderen Themenbereichen bestimmt. 17
Prozent der gesamten Veröffentlichungen in den arabischen Ländern sind
religiöse Schriften im Vergleich zu 5 Prozent der Publikationen in
anderen Teilen der Welt." Auch der Anteil von Übersetzungen – ein
Indikator für interkulturelle Kommunikation – ist gering:
"Durchschnittlich wurden nur 4,4 übersetzte Bücher pro eine Million
Menschen in der Zeit von 1980-1985 veröffentlicht (weniger als ein Buch
pro einer Million Menschen pro Jahr. Im Vergleich dazu wurden in Ungarn
519 Bücher bezogen auf eine Million Menschen veröffentlicht, in Spanien
waren es 920 Bücher … Die Literatur steht jedoch noch anderen
schwerwiegenden Problemen gegenüber. Zum einen der aufgrund hoher
Analphabetenraten in einigen arabischen Ländern – geringen Zahl der
Bevölkerung, die lesen kann, zum anderen der schwachen Kaufkraft der
Leser. Die niedrigen Auflagen von Druckwerken spiegeln sehr deutlich die
begrenzte Leserschaft in der arabischen Welt wieder." "
Ähnliches wird für die heutige Türkei gelten. Bei Bedarf bitte ich im
thread "Willst du einen Türken strafen ..." nachzulesen.
Zur Aufhebung des Buchdruckverbotes im O.R. schreibt Mittermeier:
"Bevor Achmed III. einen entsprechenden Ferman (Edikt) erließ, holte er
eine Fatwa (Rechtsutachten) religiöser Autoritäten ein – des
Scheichülislam sowie der Kadis von Istanul, Saloniki und Galata. Ihrer
Rechtsmeinung entsprechend wurde die Erlaubnis des Drucks auf Werke
säkularen Wissens wie Medizin, Astronomie, Philosophie oder Geographie
beschränkt. Theologische Literatur sowie Werke der religiösen
Überlieferung und der Rechtswissenschaft blieben weiterhin
ausgeschlossen. Der Koran selbst wird gar nicht erwähnt. So
selbstverständlich erschien es offenbar allen Beteiligten, dass das
heilige Buch des Islam nicht mit dieser Technik reproduziert werden
dürfe. Dass die Druckpolitik der osmanischen Sultane stark religiös
motiviert war, steht wohl außer Zweifel."
Erst 1727 – also fast drei Jahrhunderte nach der Erfindung Gutenbergs –
wurde auch den islamischen Untertanen des Sultans der Buchdruck erlaubt.
Hier wird doch sehr deutlich, wie sehr die damaligen Osmanen auf
Abschottung bedacht waren! Was andere Länder und Weltreiche dankbar
nutzten, um Informationen schneller auszutauschen und für
Bildungszwecke, das erschien den Osmanen 3 Jahrhunderte so gefährlich,
daß sie diese Technologie bei sich einfach verboten hatten!
Über die Gründe dafür denkt ein Zeitgenosse damals so nach:
"Ogier Ghislain de Busbecq war ein hoch gebildeter niederländischer
Adeliger, der als Gesandter Ferdinands I. an der Hohen Pforte viele
Jahre im Osmanischen Reich verbrachte. Bei ihm findet sich eine sehr
pointierte Stellungnahme zur Frage des Kulturtransfers. Keine Nation der
Welt, meint er, zeige größere Bereitschaft als die Türken, ihnen
nützliche Erfindungen von Fremden zu übernehmen. Das zeigen Kanonen,
Musketen und viele andere Dinge, die von Christen erfunden wurden. Zwei
Ausnahmen hebt er jedoch besonders hervor, den Buchdruck und die
öffentlichen Uhren. Die Uhren würden die Autorität der Muezzine und
ihrer traditionellen Riten schädigen. Noch grundsätzlicher wäre die
Beeinträchtigung durch den Buchdruck. Wenn die heiligen Schriften
gedruckt würden, könnten sie nicht mehr als Schriften angesehen werden.
In beiden Fällen behinderte also nicht kulturelle Fremdheit, sondern
religiöse Unvereinbarkeit die Übernahme. Wenn Druck nicht als Schrift
angesehen werden konnte, so musste ein gedruckter Koran als untragbar
gelten."
Nun, vielleicht später noch mehr zum Thema.
MfG
Der Habakuk.
Historiker ist, wird vieles davon, nicht in Schule/Uni gelernt haben,
sondern muß es sich selber zusammensuchen.
Meine These lautet, daß die sehr sehr zögerliche Akzeptanz des
Buchdruckes und die immer noch in vielen arabischen Ländern wie auch in
der Türkei durchaus auch religiöse Gründe hatte.
Bereits erwähnt wurde, daß es in Ägypten noch 1836 nur eine einzige
Druckerei gab, und das auch nur, weil Napoleon 1798 eine Druckerpresse
an den Nil gebracht hatte! Zur Erinnerung: der Buchdruck wurde im Westen
ca. 1450 von Gutenberg erfunden!
Es dauerte also fast 400 Jahre, bis Ägypten den Bucghdruck bei sich
einführte! Daß es damals neben der einen Druckerei über 20 Waffen- und
munitionfabriken gab zeigt wohl, welch geringen stellenwert der
Buchdruck damals in Ägypten besaß.
Woran lag das? Drang die Neuigkeit nur sehr langsam an arabische und
osmanische Ohren? Wurde die Technologie von Gutenberg, vom christlichen
Abendland geheim gehalten und den Moslems vorenthalten?
Ganz und gar nicht! Im Gegenteil!
Der osmanische Sultan und beherrscher des Osmanischen Reiches Bayezid
II. *verbietet* bereits ca. 1483 den Buchdruck bei Todesstrafe!
Ebenfalls verboten nei Todesstrafe war es, Bücher aus dem Westen in das
O.Reich zu importieren! Wie schon erwähnt, bleib dieses Verbot, das von
Bayezids Sohn und Nachfolger nochmals explizit erneuert wurde, bis zum
jahre 1727 im Osmanenreich in Kraft!
Interessanterweise betraf dieses Verbot nur den Buchdruck in arabischen
Schriftzeichen, was damals im osmanischen Reich die gängige Schrift war!
Daß Bayezid ansonsten hin und wieder Ausnahmen zuließ, die jedoch nur
Nichtmoslems betrafen, zeigt recht deutlich daß er, der den Beinamen
"der fromme" trug, vor allem um seine moslemischen bürger besorgt war
und daß er unheilvolle Einflüsse aus dem Westen berfürchtete. Aus
Spanien ins O.R. geflüchteten Juden wurde so z.B. erlaubt, Bücher für
sich zu drucken, also nicht auf arabisch! Andsonsten herrschte
weitgehende Abschottung, Bücherverbot und Druckverbot für die nächsten
fast 300 Jahre im O.R.
Soweit ich recherchieren konnte, gab es solche generellen Verbote im
arabischen und sonstigen islamischen Raum zwar nicht, aber die Rezeption
des Buchdruckes und Buches - mit Ausnahmen handgescheriebener, meist
religiöser Literatur fand kaum statt.
In der Wiki findet sich eine interessante Liste:
<http://de.wikipedia.org/wiki/Ausbreitung_des_Buchdrucks>
Wir finden dort, daß der Buchdruck noch nicht einmal 50 Jahre brauchte,
um ganz Europa zu erobern. In so gut wie jedem europäischen Land gab es
vor 1500 bereits Druckereien und in den nächsten 100 - 150 jahren
eroberte er auch Amerika, Lateinamerika, Asien und Afrika.
So gilt z.B. für Mexico: "Zwischen 1539 und 1600 produzierten
Druckerpressen 300 Ausgaben und im folgenden Jahrhundert stieg die Zahl
der Titel auf 2007.[29] Im 16. Jahrhundert waren mehr als 31 % der vor
Ort hergestellten Bücher in einheimischen Indianersprachen abgefasst,
zumeist religiöse Texte oder Grammatiken und Wörterbücher von
Amerindischen Sprachen." (Wikizitat)
Wie aber stands mit den Islamländern damals? Die Liste gibt kaum
islamsiche länder und namen preis. 1792, Kairo und als Drucker werden
Franzosen genannt. 1637, Armenische Drucker in Isfahan. Ab 1820
Buchdruck in theheran. Für das Osmanische Reich steht dort:
"1729 Konstantinopel Erste Presse zum Drucken auf Arabisch im
osmanischen Reich eingerichtet, gegen starken Widerstand der Kopisten
und teilweise moslemischer Religionsgelehrter. Die Druckerei blieb bis
1742 in Betrieb und gab ausschließlich nicht-religiöse Werke heraus,
insgesamt siebzehn an der Zahl.
und
1779 Konstantinopel James Mario Matra (Brite)
Erfolgloser Versuch, den Buchdruck wieder aufzunehmen"
Im Folgenden nehme ich auf Mittermeier, Schreibrohr und Druckerpresse
Bezug und zitiere aus ihm. Zuerst eine Bestandsaufnahme der heutigen
Zustände:
"Späte Einführung des Buchdrucks kann bis in die Gegenwart nachwirken.
Der von den Vereinten Nationen in Auftrag gegebene und von prominenten
Wissenschaftlern erstellte "Arab Human Development Report" von 2003
formuliert über Probleme des Aufbaus einer Wissensgesellschaft in den
arabischen Ländern3:
"Die wichtigsten Mittler bei der öffentlichen Verbreitung von Wissen
sind die Massenmedien. Allerdings ist in den arabischen Staaten die
Anzahl der Informationsmedien im Verhältnis zur Bevölkerung (Zeitungen,
Radio und Fernsehapparate pro 1000 Menschen) und im Vergleich zur
durchschnittlichen Rate weltweit gering. Pro 1.000 arabischer
Staatsbürger gibt es weniger als 53 Zeitungen, im Vergleich zu 285
Zeitungen pro 1.000 Menschen in den 3 Deutsche
entwickelten Ländern. … Die niedrigen Auflagen von Druckwerken spiegeln
sehr deutlich die begrenzte Leserschaft in der arabischen Welt wider.
Der Anteil arabischer Bücher überschreitet nicht mehr als 1,1 Prozent
der Weltproduktion, obwohl die arabische Bevölkerung 5 Prozent der
Weltbevölkerung ausmacht. Die Herstellung von Literatur und Kunstbüchern
in den arabischen Ländern liegt also signifikant unter dem weltweiten
Durchschnitt. 1996 wurden nicht mehr als 1.945 Bücher gedruckt, was nur
0,8 Prozent der Weltproduktion entspricht und damit unter der Produktion
einzelner Länder wie etwa der Türkei liegt, deren Einwohnerzahl einem
Viertel der Bevölkerung arabischer Länder entspricht. Der arabische
Literaturmarkt wird von einer Fülle religiöser Schriften und einem
Mangel an Druckerzeugnissen aus anderen Themenbereichen bestimmt. 17
Prozent der gesamten Veröffentlichungen in den arabischen Ländern sind
religiöse Schriften im Vergleich zu 5 Prozent der Publikationen in
anderen Teilen der Welt." Auch der Anteil von Übersetzungen – ein
Indikator für interkulturelle Kommunikation – ist gering:
"Durchschnittlich wurden nur 4,4 übersetzte Bücher pro eine Million
Menschen in der Zeit von 1980-1985 veröffentlicht (weniger als ein Buch
pro einer Million Menschen pro Jahr. Im Vergleich dazu wurden in Ungarn
519 Bücher bezogen auf eine Million Menschen veröffentlicht, in Spanien
waren es 920 Bücher … Die Literatur steht jedoch noch anderen
schwerwiegenden Problemen gegenüber. Zum einen der aufgrund hoher
Analphabetenraten in einigen arabischen Ländern – geringen Zahl der
Bevölkerung, die lesen kann, zum anderen der schwachen Kaufkraft der
Leser. Die niedrigen Auflagen von Druckwerken spiegeln sehr deutlich die
begrenzte Leserschaft in der arabischen Welt wieder." "
Ähnliches wird für die heutige Türkei gelten. Bei Bedarf bitte ich im
thread "Willst du einen Türken strafen ..." nachzulesen.
Zur Aufhebung des Buchdruckverbotes im O.R. schreibt Mittermeier:
"Bevor Achmed III. einen entsprechenden Ferman (Edikt) erließ, holte er
eine Fatwa (Rechtsutachten) religiöser Autoritäten ein – des
Scheichülislam sowie der Kadis von Istanul, Saloniki und Galata. Ihrer
Rechtsmeinung entsprechend wurde die Erlaubnis des Drucks auf Werke
säkularen Wissens wie Medizin, Astronomie, Philosophie oder Geographie
beschränkt. Theologische Literatur sowie Werke der religiösen
Überlieferung und der Rechtswissenschaft blieben weiterhin
ausgeschlossen. Der Koran selbst wird gar nicht erwähnt. So
selbstverständlich erschien es offenbar allen Beteiligten, dass das
heilige Buch des Islam nicht mit dieser Technik reproduziert werden
dürfe. Dass die Druckpolitik der osmanischen Sultane stark religiös
motiviert war, steht wohl außer Zweifel."
Erst 1727 – also fast drei Jahrhunderte nach der Erfindung Gutenbergs –
wurde auch den islamischen Untertanen des Sultans der Buchdruck erlaubt.
Hier wird doch sehr deutlich, wie sehr die damaligen Osmanen auf
Abschottung bedacht waren! Was andere Länder und Weltreiche dankbar
nutzten, um Informationen schneller auszutauschen und für
Bildungszwecke, das erschien den Osmanen 3 Jahrhunderte so gefährlich,
daß sie diese Technologie bei sich einfach verboten hatten!
Über die Gründe dafür denkt ein Zeitgenosse damals so nach:
"Ogier Ghislain de Busbecq war ein hoch gebildeter niederländischer
Adeliger, der als Gesandter Ferdinands I. an der Hohen Pforte viele
Jahre im Osmanischen Reich verbrachte. Bei ihm findet sich eine sehr
pointierte Stellungnahme zur Frage des Kulturtransfers. Keine Nation der
Welt, meint er, zeige größere Bereitschaft als die Türken, ihnen
nützliche Erfindungen von Fremden zu übernehmen. Das zeigen Kanonen,
Musketen und viele andere Dinge, die von Christen erfunden wurden. Zwei
Ausnahmen hebt er jedoch besonders hervor, den Buchdruck und die
öffentlichen Uhren. Die Uhren würden die Autorität der Muezzine und
ihrer traditionellen Riten schädigen. Noch grundsätzlicher wäre die
Beeinträchtigung durch den Buchdruck. Wenn die heiligen Schriften
gedruckt würden, könnten sie nicht mehr als Schriften angesehen werden.
In beiden Fällen behinderte also nicht kulturelle Fremdheit, sondern
religiöse Unvereinbarkeit die Übernahme. Wenn Druck nicht als Schrift
angesehen werden konnte, so musste ein gedruckter Koran als untragbar
gelten."
Nun, vielleicht später noch mehr zum Thema.
MfG
Der Habakuk.